Unterliederbach. Alarm in Unterliederbach. Aus den Schlitzen des Glockenturms St. Johannes Apostel Kirche qualmt es. Vor dem Backsteingebäude steht eine Menschentraube. Fotoapparate und Kameras sind auf den Turm gerichtet, Pastor Wolfram Pfaff ist vor sein Pfarrhaus getreten, und sind auch schon die Sirenen der nahenden Feuerwehrwagen zu hören. Die Zuschauer schlecken ruhig Eis, denn sie wissen genau: Für die Rauchwolken sorgen ein paar Diskomaschinen. Das ganze ist ein Übung, mit der die Unterliederbacher Floriansjünger am Samstag ihre Saison eröffnen.
Schon einmal habe die Kirche „gebrannt", berichtet Bernhard Mühlberger vom Pfarrgemeinderat. Damals sei der Kantor neu gewesen und habe nichts von der Übung gewusst. „Der hat fast einen Herzinfarkt bekommen, als er die Königsteiner Straße herunterfuhr und die Löschfahrzeuge vor der qualmenden Kirche sah", lacht er. Immerhin sei gerade erst die teure Orgel angeschafft worden.
Diesmal scheint jeder gut informiert zu sein. Flink springen die 16 Feuerwehrleute aus den drei Einsatzwagen. Während ein Teil die Königsteiner Straße absichert wird, rollen die Uniformierten die Schläuche aus und ziehen sich die Atemgeräte auf. Bernhard Mühlberger weist den Weg zum Turmeingang. Neben dem alten Gemeindegrill, verstaubten Glasfenstern und etwas Reisig steht die eiserne Leiter, die senkrecht in den 24 Meter hohen Glockenturm führt. Gar nicht so einfach, die schmalen Streben mit den Atemluftflaschen zu erklimmen. Roman Selzer kontrolliert mit einem Buch in der Hand im Kirchhof den Atemschutz. Wer zu lange im Turm bleibt, wird per Funk nach draußen beordert.
Unter der großen Linde vor dem steinernen Johannes wird derweil der große Überdruck-Lüfter angeschmissen. Der soll den Rauch aus dem Gebäude drücken. Der Krach ist ohrenbetäubend. Aus den Schlitzen im Turm qualmt es noch mehr. Über Funk bekommt Wehrmeister Claus-Jürgen Meissner die Nachricht, dass oben zwei Gasflaschen stehen. „Sofort rausbringen", ordnet er an. „Die könnten unter großem Hitzeeinfluss explodieren", erklärt er. Vor dem Turm heißt es jetzt „Wasser marsch!" Da man drinnen nicht spritzen darf, nässen die Feuerwehrleute das Schrägdach der Kirche. Zum „Anspritzen" gehört eben auch ein bisschen Show.
Nach 25 Minuten ist das „Feuer" gelöscht. Meissner ist stolz auf seine Jungs. Nur eines gab es zu bemängeln. Der Deckel zum Hydranten auf dem Bürgersteig vor der Kirche hatte sich nicht öffnen lassen, sodass erstmal das Wasser aus dem Wagentank verspritzt werden musste. Hätte die Kirche tatsächlich in Flammen gestanden, hätte die Feuerwehr wohl ein echtes Problem gehabt. „Wir kontrollieren die Deckel eigentlich einmal pro Jahr", sagt Meissner. Er wolle das aber sofort der Stadt weitergeben.